85 Jahre Volkssternwarte Urania Jena e.V.
von Wilfried Weise
Die Volkssternwarte Urania Jena e.V. feiert in diesem Jahr Ihr 85 jähriges Bestehen. Doch wie kam es überhaupt dazu? Nach der Gründung der Astroabteilung in der Fa. Carl Zeiss 1897 wuchs auch mehr und mehr das fachliche Interesse bei den Mechanikern und Optikern nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis auf astronomischem Gebiet. Sind doch schließlich sie es letztendlich gewesen, die die astronomischen Geräte fertigten und teils auch mit erprobten. Im Januar 1909 regte der Mechaniker Klostermann der Fa. Carl Zeiss die Gründung eines astronomischen Vereins an, dessen Aufgabe darin bestehen sollte das vorhandene Wissen durch eigene Himmelsbeobachtungen zu erweitern, aber auch gleichzeitig die Astronomie jedermann zugänglich zu machen. Bei der Erörterung dieses Vorhabens ergab sich aber die Notwendigkeit des Baus eines Sternwartengebäudes. Dazu benötigte man ein Grundstück mit freier Aussicht und natürlich ein leistungsfähiges Fernrohr zwecks Beobachtung der Himmelsobjekte. Um die dazu erforderliche materielle Basis zu schaffen gründete man am 09.03.1909 im Jenaer Lokal "Gute Quelle" - heute unter dem Namen "Weinperle" bzw. jetzt "Modern Art Diskothek" bekannt - in der Johannisstraße 11 nahe dem Johannistor die Vereinigung Urania e.G.m.b.H. Die Fa. Carl Zeiss stellte der jungen Genossenschaft die noch zu Lebzeiten Ernst Abbe's errichtete Forststernwarte, erste Werksternwarte der Fa. Carl Zeiss, ca. 3 km westlich von Jena in 345m Höhe nahe dem Forsthaus gelegen, zur Verfügung. Zuzüglich erhielt der Verein einen Refraktor 130/2000, ein Protuberanzenspektroskop, einen Kometensucher 85/500, der übrigens heute noch im Einsatz ist, u.v.m. Das Sternwartengebäude wird 1913 mit Unterstützung der Carl Zeiss Stiftung durch einen Vorbau erweitert, für damalige Verhältnisse waren somit beste Bedingungen für diesen jungen Verein geschaffen worden. Das Engagement dieser Sternfreunde, ein eigenes Domizil für die Himmelsbeobachtung für sich, aber auch für andere Interessenten zu haben, hatte sich gelohnt. Die Besucherzahl von über 2000 Personen im ersten Jahr seit der Eröffnung dieser astronomischen Einrichtung beweist das Interesse seitens der Jenaer Bevölkerung. In diese Zeit fiel 1911 eine der interessantesten Himmelserscheinung, der Halley'sche Komet, für den man am 01.06.1911 um 04:30 Uhr einen Zusammenstoß mit der Erde prophezeite. Diese Prophezeiung erwies sich glücklicherweise als Irrtum.
- Am 16.12.1924 wurde die bestehende Genossenschaft Urania e.G.m.b.H. in einer außerordentlichen Generalversammlung durch einstimmigen Beschluß aufgelöst und in einen eingetragenen Verein "Volkssternwarte Urania Jena e.V." umbenannt.
- 1936 war ein Wendepunkt in der Vereinsgeschichte. Nach zähen Verhandlungen zwischen der Carl Zeiss Stiftung, der Universität und dem Verein wurde die Forststernwarte an die Universität übergeben. Eine Entscheidung, die die Sternfreunde sehr hart traf. Als Gegenleistung wurde Ihnen die mitten in der Stadt gelegene Beobachtungskuppel von Carl Wilhelm Winkler unmittelbar neben der Universitätssternwarte im Schillergäßchen gelegen, zur Verfügung gestellt. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten in der Winklerschen Kuppel und Montage der astronomischen Geräte aus der Forststernwarte konnt im September 1936 die Volkssternwarte ihre Pforten wieder öffnen.
- Die Kriegsjahre 1939-1945 brachten die Tätigkeit in der Sternwarte fast zum Erliegen; diese war den Zerfall nahe.
- 1947 wurde mit Unterstützung des VEB Carl Zeiss Jena die Sternwarte wieder aktiviert; die Mitglieder dieses Vereins wurden als Kulturgruppe AG "Astronomie" dem Volkshaus untergeordnet. (Vereine waren zu DDR Zeiten verboten)
- 1953 wurde auf Initiative des damaligen Sternwartenleiters Herrn Alfred Jensch das durchgerostete Kuppelgebäude der Sternwarte durch ein Mauerwerk und einer neuen Holzkuppel von o 4,20m mit einem Kostenaufwand von 20063,- Mark durch den Zeiss Betrieb instand gesetzt. Der Refraktor 130/2000 wurde überholt und mit einer modernen Montierung ausgestattet.
- Ein Höhepunkt in der Volkssternwartengeschichte war die Rückgabe der Forststernwarte einschließlich des Cassegrain Spiegelteleskopes 500/10000 durch die Universität Jena an die Mitglieder der AG "Astronomie" der Volkssternwarte. Somit besaß die Arbeitsgemeinschaft seit dem 19.04.1966 zwei Sternwarten.
- Das einstige Domizil der Sternfreunde, die Forststernwarte, diente nun nach gründlicher Rekonstruktion vorrangig der Beobachtung und Fotografie von Himmelsobjekten. Die Volkssternwarte im Schillergäßchen wurde weiterhin der Öffentlichkeitsarbeit vorbehalten.
- Die Tätigkeit in der Sternwarte erlebte im wahrsten Sinne wieder einen Aufschwung. Die stürmische Entwicklung der Raumfahrt in den 60er Jahren und später tat ihr übriges dazu. Neben der Beobachtung und Fotografie von Himmelsobjekten führte man die Testung von astronomischen Amateurgeräten, öffentlichen Führungen und die Betreuung von Schülerarbeitsgemeinschaften, deren Hauptaugenmerk auch in Zukunft die Vermittlung populärwissenschaftlichen Wissens auf astronomischem und astronautischem Gebiet ist, durch.
- Im Dezember 1989 kam es mit dem Volkshaus des VEB Carl Zeiss Jena zum Vertragsbruch. Die Vereinigung Deutschlands am 03.10.1990 tat das Übrige dazu.
- Am 05.12.1990 wurde die AG "Astronomie", nach einem Beschluß der Mitgliederversammlung vom 05.09.1990 in der Volkssternwarte Schillergäßchen, wieder in den Verein Volkssternwarte Urania Jena e.V. umbenannt und im Vereinsregister des Kreisgerichtes Jena-Stadt registriert.
- Die Gemeinnützigkeit des Vereins wurde am 24.01.1991 vom Finanzamt Gera zuerkannt.
- Für den Verein kamen Jahre voller Turbulenzen mit Höhen und Tiefen (Auflösung des Zeiss Betriebes, Weggang von erfahrenen Vereinsmitgliedern bedingt durch Arbeitslosigkeit, Bildung der Ernst Abbe Stiftung am 24.06.1992 u.a.m.).
- Seit 1992 sind die Sternwartengebäude und der Grund und Boden der Ernst Abbe Stiftung mit überführt worden.
Entsprechend dem Anliegen Ernst Abbe's liegt auch das Interesse bei der jetzigen Ernst Abbe Stiftung den Verein Volkssternwarte Urania Jena e.V. wegen seiner populärwissenschaftlichen Arbeit auf astronomischem und astronautischem Gebiet (in der Vereinssatzung festgelegt) zu fördern. Der Verein Volkssternwarte Urania Jena e.V. sieht trotz aller Probleme und Geldsorgen optimistisch in die Zukunft, hat er doch wieder ein Wachstum in der Mitgliederzahl, was aber noch wichtiger ist ein Ansteigen der Besucherzahl aus In- und Ausland zu verzeichnen. Die einstige ironische Bemerkung des ehemaligen Leiters der Astroabteilung der Fa. Carl Zeiss Dr. M. Pauly (1 -1 ) "Der junge Verein wird wohl kaum mehr als drei Jahre Lebensdauer haben. Er wird sich bestenfalls in einen Kegelclub umwandeln." kann man mit Humor betrachten, hat der Verein diese Zahl nun schon um 82 Jahre überdauert.
An dieser Stelle möchte sich der Verein bei den Spendern und Institutionen herzlich bedanken, die ihm Sach- und Geldspenden zum Erhalt der Sternwarten zukommen ließen.