Irdische Entdeckungen
Das Rätsel um die Herkunft der "Winklerschen Kuppel" ist gelöst.
von Wilfried Weise
Am 9. März 1909 wurde die Urania e.G.m.b.H. im Lokal "Gute Quelle" gegründet.
Woher kam die kleine, vom Verein unterhaltene Sternwarte, auch "Winklersche Kuppel" genannt, im Schillergäßchen? Und wer war eigentlich dieser Winkler? Wilfried Weise, der seit Mitte der 80er Jahre die Geschicke der Jenaer Hobbyastronomen leitet, hatte viel Arbeit vor sich, als er sich an die vereinseigene Geschichtsaufbereitung machte. Nach mehrmonatigem Suchen kann er nunmehr seine Forschungsergebnisse vorlegen. Zunächst zur Sternwarte selbst. Wilhelm Winkler hatte seine private Sternbeobachtungsstation 1899 auf seinem Grundstück erbauen lassen und diese im selben Jahr in Betrieb genommen. direkt neben seiner Villa im Philosophenweg 22, heute Nr. 42. Von diesem Standort aus konnte der Hobbyastronom von Nord über Ost bis nach Süd den Himmel einblicken. Die Villa steht heute noch dort und ist derzeit dem Verfall preisgegeben. Die Sternwarte hat einige Meter vor dem Haus gestanden, das Areal gehört heute zum zur Straße hinliegenden Nachbarhaus. Es existiert von diesem Standort auch ein Foto: Und zwar auf einer nach Weises Ermittlungen einzigartigen und unter Sammlern wohl kaum verbreiteten Postkarte, die die Villen unter dem "Landgrafen" zeigt. Hell leuchtet die mit einem Durchmesser von 4,5 Meter und von der Dresdner Firma Heyde gefertigte Drehkuppel der Sternwarte auf der Postkarte hervor. Gut zehn Jahre verblieben Winkler, um mit seiner Sternwarte vor allem die Sonnenflecken und den Jupiter zu beobachten und seine Ergebnisse in Fachzeitschriften publizieren zu können. Am 17. Juni 1910 starb Winkler an einem Augenkrebsleiden. In seinem Testament hatte er nun verfügt, daß die Sternwarte - sowie weitere astronomische Geräte - in den Besitz der Universität Jena übergehen sollten. Dafür sollte eine Wilhelm-Winkler-Stiftung gegründet werden, die am 6. September 1910 auch durch das Herzoglich Sächsische Staatsministerium, Departement Kultus, genehmigt wurde. Die Stiftung war von Winkler mit 100000 Reichsmark ausgestattet worden, und zwar in Aktien und Staatsobligationen. Für die Umsetzung seiner Sternwarte hatte der Stifter im Testament eigens eine Kostenrechnung eingeführt und diese Summe ebenfalls zur Verfügung gestellt. Stein für Stein plus Metallkuppel wurden vom Philosophenweg hinunter in das Schillergäßchen transportiert und dort wieder aufgebaut. Bis 1935 nutzte die Universität die Sternwarte. Ein Jahr später, nach zähen Verhandlungen zwischen der Carl-Zeiss-Stiftung, der Universität und dem Verein, wird die Forststernwarte an die Universität übergeben und im Tausch erhält der Verein die "Winklersche Kuppel". 1936 erfolgt der Anbau mit dem Vortragsraum, und zweier Treppen. In den Jahren 1954 bis 56 bekommt die Sternwarte eine neue Kuppel. Der Sockel des Gebäudes ist bis heute erhalten, die beiden zur Plattform hinaufführenden Außentreppen mußten auf staatliche Anweisung abgerissen und durch eine neue Treppe ersetzt werden. Bis heute nutzen die Vereinsmitglieder die "Winklersche Kuppel" zu Himmelsbeobachtungen.
Wer war Wilhelm Winkler? Winkler wurde am 16. August 1842 in Eisenberg geboren. Am ehemaligen Metropol-Kino Am Malzplan hing ein Erinnerungsschild, das bereits zu DDR-Zeiten abgerissen wurde. Winklers Grab, nach dem Tod wurde sein Leichnam von Jena in seine Geburtsstadt überführt, konnte nicht mehr ausfindig gemacht werden. Da sich niemand um die Grabstätte gekümmert hatte, war das Grab erloschen. Der Vater war wohlhabender Rechtsanwalt. Nach dessem frühen Tod wuchs Winkler bei seinem Großvater, einem gutsituierten Kaufmann, auf. Das familiäre Vermögen bot ihm die Möglichkeit, sich ganz seinen astronomischen Studien zu widmen. Zuerst in Leipzig und dann in Jena, wohin er 1883 gezogen war. Seinen ersten Wohnsitz nahm er am Erfurter Tor 7, später im Philosophenweg. Mit seinen Forschungsergebnissen erwarb sich Winkler den Respekt der Fachwelt. Beziehungen zu Ernst Abbe sind sehr wahrscheinlich, konnten bislang aber noch nicht belegt werden. Die Friedrich-Schiller-Universität verlieh ihm die Würde eines Ehrendoktors der Philosophie. Daß die kleine Urania-Sternwarte Schillergäßchen Wilhelm Winkler zu verdanken ist, kann man bislang nirgendwo am Objekt nachlesen. Der Verein sucht aus diesem Grund dringend einen Sponsor, der eine Gedenktafel zu Ehren von Wilhelm Winkler finanziert. Mit solch einer Gedenktafel würde öffentlich und einer schönen Jenaer Tradition folgend an einen Jenaer Bürger erinnert werden, der seinen persönlichen Reichtum für die Sternenschau einsetzte und nach seinem Tod davon einen beträchtlichen Teil an die Stadt und ihre Universität übergab.